Freitag, 31. Juli 2020

Der Wert der Dienstleistung

„Sie haben ja Ihr Hobby zum Beruf gemacht“ mit diesem Satz begründen viele den Umstand, warum sie für eine Stunde Tanzunterricht deutlich weniger zahlen wollen, als für eine Stunde bei einem KFZ Mechaniker, eine Stunde bei einem Rechtsanwaltsalt oder einem Arzt. Aber haben nicht alle, die einen Beruf ergreifen damit ihr Hobby zum Beruf gemacht, sofern sie nicht aus finanziellen Gründen gezwungen waren einen Beruf zu ergreifen, der nicht ihren Fähigkeiten entsprochen hat. Sollten nicht gerade Anwälte oder Ärzte Ihr Hobby zum Beruf gemacht haben? Ansonsten haben sie doch ihren Beruf verfehlt. Wer dafür nicht brennt, es nicht gerne macht, sollte sich Berufe aussuchen, die nicht mit dem Umgang mit Menschen zu tun haben. Und auch dort wird man sich schwer tun Berufe zu finden, bei denen man ohne Leidenschaft etwas erreicht.

Somit darf man doch Anwälten und Ärzten auch deutlich weniger zahlen, da sie ja ihr Hobby ausüben! Gleich wie Tanzlehrer!? € 35,- pro Stunde wären doch angemessen?

In diesem Fall kommt dann das Argument, dass ja eine langjährige Ausbildung zu diesen Berufen führt, tanzen aber doch jeder könnte.

Abgesehen davon, dass auch die Tanzlehrerausbildung über 3 Jahre hinweg geht und man sich danach und während der Ausbildung ständig weiter bildet, kommt dann noch die Frage der Erfahrung hinzu. Nach 10, 20, 30 oder gar 40 Jahren Berufserfahrung, dem Wissen um alle Tricks und Hilfen um einen Schritt, Tanz oder eine Kombination an Bewegungen zu erlernen, sollte dies doch eigentlich auch entlohnt, also bezahlt werden?

Genau so wie ein Orthopäde am Gang des Patienten, seiner Haltung und am Händedruck viel über mögliche Fehlstellungen und Probleme desselben erkennt, meist ohne viel nachzudenken, erkennt auch der Tanzlehrer an der Gehbewegung, an der Haltung und der Tanzhaltung viel mehr über den „Patienten“ als dieser eigentlich mitteilen will.

Erkennen wir als Tanzlehrer - zumindest mit langer Erfahrung - bereits wenn wir eine Dame in die Tanzhaltung nehmen, ob sie verspannt, entspannt, aufgeregt, nervös, verklemmt, optimistisch, pessimistisch,…. ist. Nach den ersten Tanzschritten verratet sie uns mehr, als sie über sich selber weiss, oder sich zugesteht.

Der Körper lügt nur ganz selten, nur Schauspieler schaffen es etwas „vor zu spielen“.

Sollten wir daher nicht höhere Beiträge für unsere Stunden verlangen, vor allem wenn es sich um Privatstunden handelt, wenn wir also direkt „am Patienten“ arbeiten. Und noch mehr, wenn wir über mehr als 30 Jahre lange Erfahrung verfügen, ein ganzes Arbeitsleben in einem Beruf verbringen?

Ich kann mich noch gut erinnern wie ich meine Ferialpraxis als Elektrotechniker in der Firma absolvierte in der mein Vater sie vielen Jahren Abteilungsleiter war. Ein mittelgroßer Industriebetrieb mit einem hohen Grad an Automation. Waren die Gesellen und Meister mit einem Werkzeugkoffer unterwegs, um Maschinen zu reparieren, ging mein Vater meist mit einem kleinen Schraubenzieher bewaffnete zu den ganz schweren Fällen und erledigte nach kurzem Zuhören oder Handauflegen die Reparatur mit wenigen Handgriffen.

Die Erfahrung machte es aus!

So erkennen wir nach Jahren der Erfahrung die Ursache gewisser Bewegungsmuster, die einem immer wieder begegnen, sieht tiefer in den Körper, erkennt Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten, stellt über die Jahre hinweg Theorien auf und verwirft sie wieder zugunsten einer besseren Theorie.

Sollte also eine Dienstleistung wie die des Tanzlehrers nicht besser bezahlt werden? Aber sollte diese Erfahrung nicht auch dazu genutzt werden können Problemen vorzubeugen und Fehlhaltungen rechtzeitig entgegen zu wirken? Dazu aber müßten wir vom Spaß der Bewegung hin zur Therapie der Bewegung, vom Ansatz der Freizeitgestaltung zur Aufrechterhaltung der Gesundheit wechseln!

Dies zu verbinden - Spaß und Freizeiterlebnis mit Gesundheitsvorsorge - ist einerseits die Quadratur des Kreises - nie 100% möglich, aber zumindest eine Annäherung läßt sich machen - andererseits eine große Chance!

Tja und so kommt man vom Gedanken der Bewertung der Dienstleistung der Tanzstunden zur Gesundheitsvorsorge.

Tanzen ist vielseitig, Tanzen ist Leben!!!


Samstag, 28. März 2020

Schrittvermittlungsagenturen oder Tanzschulen?

Jetzt, in der Zeit der Krise, sollte sich zeigen was wir eigentlich sind. Sind wir Schrittvermitttlungsagenturen, die gratis online jeden Schritt zeigen und erklären, oder sind wir Tanzschulen. Tanzschulen im Sinne von Orten an denen wir Emotionen vermitteln, Freude am Tanz, Spass an der Bewegung, Lust am Zusammensein. Tanzschulen im Sinne von Orten der Begegnung und des Miteinanders.
Ja ich weiß, Begriffe, die gerade jetzt nicht sehr hoch im Kurs stehen und Begriffe für die wir sicherlich noch etwas Zeit brauchen, um sie wieder in unser Leben zu lassen.
Aber was zeigen wir denn derzeit unseren Kunden, unseren Tänzerinnen und Tänzern und vor allem der Öffentlichkeit?
Wir posten Onlinetanzkurse - und ich rede nicht davon, dass wir unsere Bestandskunden mit Informationen u.ä. versorgen, was völlig okay ist -  gratis im Internet. Gratis!!!!!
Ist unsere Arbeit denn nichts wert? Kann man denn das Erlebnis Tanzschule über das Internet vermitteln?
Posten denn jetzt Masseure Anleitungen zur Massage, Physiotherapeuten Onlinekurse zur Selbsttherapie, oder Bäcker Kurse zum Brötchen selber backen, oder gar Kinos Hollywood Filme zum zuhauseschauen?
Nein, denn es fehlt die direkte Manipulation am Kunden, es fehlt das Erlebnis im großen Kino, es fehlt die Erfahrung der Physiotherapeutin, die weiß warum der Hals schon wieder einmal verspannt ist.
Und sind wir als Tanzlehrer nicht auch die Fachleute, wenn es darum geht herauszufinden, was die Kunden brauchen. Ob sie einen Wiener Walzer in Perfektion lernen sollen, oder vielleicht nur einen Pendelschritt, ob sie zuerst einmal ihre Angst vor Nähe überwinden sollten und nicht gleich Vollkontakthaltung. Wir wissen, wie wir es anstellen, dass auch ein Partner Luft zum atmen bekommt, wenn der oder die Andere bereits „einen Goldstarkurs in der Jugend“ gemacht hat und eigentlich keine Ahnung vom tanzen hat, man ihr dies aber nicht direkt sagen kann.
Also liebe Tanzlehrer, liebe Tanzschulen und liebe Tanzlehrerinnen, wenn ihr etwas online stellt, dann soll es höchstens ein Anreiz sein und kein Tanzkurs! Und wenn ihr Online Tanzkurse, Tanzschritte usw.  zeigen wollt, dann hat dies bitte auch etwas zu kosten.

Wie sollen wir sonst in 2, 6 Monaten oder in 2 Jahren etwas für unsere Arbeit verlangen können. Auch dann wollen wir - jedenfalls die, die davon leben - auch noch existieren können!